Danke für den kleinen Bericht! Das klingt leider fürchterlich.
Hier ist noch das „Konfliktportrait Südsudan“ aus der Übersicht „Kriege und Konflikte“ von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb).
Wer arbeitet denn (wann, mit wem und wo) an Alternativen zum „etablierten Cluster-Mechanismus“ der Vereinten Nationen und internationaler Nichtregierungsorganisationen (NGOs) für die Bewältigung solch komplexer Konflikte?
Gibt es da schon irgendwelche Beispiele, die positive Orientierung bieten könnten?
Welche NGOs setzen sich damit explizit auseinander?
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In dem Beitrag/Papier:
„Der Cluster-Ansatz in der humanitären Hilfe
Evaluierungsergebnisse und Gedanken zu einem dynamischen Koordinierungssystem“
herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.),
werden bereits 2011 folgende Schwächen beschrieben:
Auszug aus dem gesamten Papier (Seite 64-65):
Die Schwächen des Cluster-Systems
In seiner gegenwärtigen Form weist der Cluster-Ansatz allerdings auch vier erhebliche Schwächen auf, von denen zwei auf systemischen Problemen beruhen und zwei Cluster-intern begründet sind.
Wichtige Akteure ausgenommen: Dass nationale und lokale Regierungsorganisationen und NGOs von den Clustern weitgehend ausgeschlossen sind, ist ein grundsätzlicher Fehler im humanitären System.
Hinzu kommt, dass es oft nicht gelingt, die Cluster effektiv an bestehende Koordinierungs- und Nothilfe
mechanismen (zum Beispiel den lokalen Zivilschutz) anzubinden.
Dieses Unvermögen hat zwei Hauptursachen:
- Zum einen werden bislang lokale Strukturen und Kapazitäten vor Einführung der Cluster oft nicht ausreichend analysiert.
- Zum anderen bemühen sich die meisten Cluster bisher nicht um partizipative Ansätze, die es erlauben würden, die Zivilgesellschaft angemessen einzubinden. Fairerweise muss hier an
gemerkt werden, dass diese Herausforderung nicht vom Cluster-System ausgelöst wird, sondern sich der humanitären Gemeinschaft generell stellt.
Die formalisierten Strukturen des Clusters verstärken das Problem jedoch. So wurden bestehende nationale Strukturen in mehreren Fällen unterwandert und deren Fähigkeit zur Katastrophenhilfe geschwächt. Bisher verpasst das System deshalb eine große Chance, die Cluster zu nutzen, um den Kontakt zwischen nationalen und internationalen Akteuren zu vereinfachen und zu festigen.
Humanitäre Grundsätze gefährdet: Ein zweites systemisches Problem, das durch die Cluster verstärkt wird, ist die Gefährdung der humanitären Grundsätze bei zu enger Zusammenarbeit mit politischen und militärischen Institutionen.
Humanitäre Akteure haben den Anspruch, in ihrer Hilfe politisch neutral, unabhängig und unparteilich zu sein.
In Einzelfällen kann dies durch die Cluster-Koordinierung gefährdet werden. Zum einen ist die Unabhängigkeit in Gefahr, wenn Cluster-Mitglieder finanziell von einer auch politisch agierenden Leitorganisation abhängig sind. Der Neutralitätsgrundsatz und die Vertraulichkeit von Informationen wiederum können leiden, wenn Cluster zu eng mit integrierten Missionen, Friedenstruppen oder Konfliktparteien zusammen arbeiten. So gab es in einigen Ländern Probleme, als die politischen und militärischen Abteilungen der Vereinten Nationen im Cluster zum Schutz der Zivilbevölkerung von humanitären Organisationen Informationen verlangten, um diese politisch und militärisch zu nutzen.
Defizite beim Cluster-Management: Im Cluster selbst sind Defizite im Management und in der Moderationsfähigkeit der Cluster-Koordinatorinnen und-Koordinatoren oft ein erheblicher Schwachpunkt.
Statt möglichst konkrete, handlungsrelevante Fragen zu diskutieren, beschäftigen sich die Teilnehmenden zu sehr mit Prozessen – insbesondere in den Hauptstädten der betroffenen Länder. Die Cluster-Sitzungen sind oft zu lang und zu ineffektiv, wenn Koordinatorinnen und Koordinatoren keine Moderationsausbildung und nicht genug Zeit für ihre Koordinierungsaufgabe haben.
Querschnittsthemen aus dem Blick verloren: Schließlich fördert der Cluster-Ansatz einen gewissen Tunnelblick, weil die einzelnen Themenbereiche getrennt voneinander diskutiert werden.
Damit die Organisationen multidimensionale Themen und Querschnittsthemen nicht aus dem Blick verlieren, wäre eine enge Absprache zwischen den Clustern deshalb besonders wichtig.
Für diese so genannte Inter-Cluster-Koordinierung ist das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zuständig, welches diese Rolle aber in den meisten Ländern nur
ungenügend wahrgenommen hat.
In dem Papier werden auch folgende Empfehlungen ausgesprochen:
Auszug von Seite 66:
Empfehlungen
Insgesamt betrachtet hat die Einführung des Cluster-Ansatzes schon zu wichtigen Verbesserungen geführt. Doch in dem Ansatz steckt noch weit mehr Potenzial, vor allem weil die Cluster humanitären Akteuren eine Plattform bieten, um systemische Schwierigkeiten gemeinsam anzugehen. Um dieses Potenzial jedoch auszuschöpfen, müssen die bestehenden Probleme im Cluster-Ansatz dringend behoben werden.
Das Evaluierungsteam richtet deshalb konkrete Empfehlungen an die Hauptakteure: an die Cluster-Leitorganisationen, an das OCHA, die Geberstaaten, NGOs und andere UN-Organisationen.
Nationale Akteure einbinden: Zunächst müssen bei der Einführung von Clustern in einem Land bestehende Nothilfestrukturen und nationale Akteure identifiziert und eingebunden werden. Es kann sein, dass in einigen Konfliktsituationen eine zu enge Zusammenarbeit mit am Krieg beteiligten Regierungsinstanzen wegen der oben genannten humanitären Grundsätze nicht angemessen ist. In allen anderen Situationen muss jedoch die bestmögliche Kooperation zwischen Clustern, nationalen Akteuren und Entwicklungsorganisationen angestrebt werden.
Cluster-Management verbessern: Das Management und die Arbeitsweise der Cluster sind verbesserungswürdig. Dazu muss die Rolle von OCHA klarer definiert, anerkannt und gestärkt werden – insbesondere in den Bereichen Informationsmanagement und Koordinierung zwischen Clustern. Zudem sollten Cluster-Koordinatorinnen und -Koordinatoren für die Arbeit qualifiziert sein und ausreichend Zeit für ihre Koordinationsaufgaben haben.
Qualität humanitärer Hilfe verbessern: Die teilnehmenden Organisationen müssen außerdem dafür sorgen, dass sich die Cluster stärker auf die Qualität humanitärer Hilfe konzentrieren. Cluster sollten verstärkt daran arbeiten, Bedarfsanalysen gut zu koordinieren und diese qualitativ zu verbessern.
Ferner sollten Cluster Methoden entwickeln, um die betroffene Bevölkerung besser einzubinden und diese ›best practices‹ unter den Mitgliedern austauschen.
Auf die lokale Ebene konzentrieren: Es ist an der Zeit, dass sich die Cluster stärker auf die lokale Ebene konzentrieren. Anfangs wurden die meisten Ressourcen auf globaler Ebene und in den Hauptstädten investiert, um das System aufzubauen. Da das System nun weitestgehend etabliert ist, muss das Hauptaugenmerk der lokalen Ebene gelten, weil dort die meiste operative Arbeit geleistet wird und deshalb auch die meisten finanziellen Mittel für die Koordinierung benötigt werden.
Finanzierungsmechanismen verbessern: Darüber hinaus müssen humanitäre Finanzierungsmechanismen so verbessert werden, dass Interessenskonflikte vermieden werden, internationale und lokale NGOs direkten Zugang zu finanziellen Ressourcen bekommen und genügend Geld für Koordinierungsaufgaben vorhanden ist.
Politisch brisante Fragen lösen: Am schwierigsten dürfte sich die Umsetzung der letzten Empfehlungen gestalten. Damit Cluster richtig funktionieren können, müssen politisch brisante Fragen – wie zum Beispiel die Verbindung von humanitärer Hilfe mit Friedensmissionen oder Konflikte zwischen Institutionen– auf internationaler Ebene gelöst werden. Cluster auf Landesebene sind als Koordinierungsplattform nicht in der Lage, tief liegende politische Dilemmata und institutionelle Streitigkeiten zu lösen. Im Gegenteil: Ungelöste politische Fragen können die Arbeit im Cluster lähmen.
Ausblick
Während der zurückliegenden sechs Jahre ist der Cluster-Ansatz vom anfänglich unklar definierten Mechanismus zum nicht mehr wegzudenkenden Modus Operandi geworden. Vieles, was anfangs als eigentliches Ziel des Cluster-Ansatzes definiert war zum Beispiel klarere Verantwortlichkeiten –, ist inzwischen zu einer selbstverständlichen und allgemein anerkannten Grundvoraussetzung des Systems geworden.
Ein verlässliches Koordinierungssystem ist zwingend notwendig in Anbetracht der Herausforderungen, welche das humanitäre System in der Zukunft nicht nur als Folge des Klimawandels – zu schultern hat.
Auch wenn der Cluster-Ansatz noch Schwachpunkte aufweist, hat er bereits einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die internationale humanitäre Hilfe leistungsfähiger zu machen. Geber und internationale Organisationen sollten deshalb weiterhin in die Koordinierung investieren – auch wenn diese ihren Preis hat.
Denn die Folgen schlechter Koordinierung bezahlt nicht die internationale Gemeinschaft, sondern die betroffene Bevölkerung – im Extremfall mit dem Leben.
Dieser Bericht scheint explizite Probleme/Voraussetzungen anzusprechen, die auch in jedem anderen Verfahren/System beachtet/gelöst werden müssen: Wer koordiniert mit welchem Mandat, welche Programme mit welchen Zielen? Wie geschieht Beteiligung und welche Wirkungen entstehen durch das jeweilige Programm/Cluster…