Konjunkturprogramme für mehr Gemeinwohl und Klimaschutz nutzen
Sozial-ökologische Wege aus der Corona-Krise in Hamburg
Hamburg, 08. Mai 2020
hamburg.global wendet sich gemeinsam mit 18 weiteren Organisationen in Hamburg,
mit Vorschlägen für eine soziale und ökologische Zukunftsentwicklung unserer Stadt an SPD und Grüne. Die gegenwärtig laufenden Koalitionsgespräche finden in einer
außerordentlichen Situation statt, da viele Bürger*Innen unserer Stadt in Sorge um ihre
Gesundheit sind und sich zunehmend in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sehen.
Wir sehen jetzt eine wichtige Chance für ein gesellschaftliches Umsteuern. SPD und
Grüne haben durch die letzte Bürgerschaftswahl ein Mandat für eine sozial-ökologische Transformation der Stadt erhalten. Wir wollen mit den Regierungsparteien in den Dialog treten, wie das Gemeinwohl zur Maxime des Handelns werden kann.
LINK zum Papier (ausführlich):
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Als zentral erachten wir, dass staatliche Interventionen und Konjunkturimpulse für ein
zukunftsfähiges Wirtschaften in Hamburg genutzt werden. Es darf kein Zurück zu
„rauchenden Schloten“ geben. Öffentliche Mittel sind auf eine geschlechtergerechte
sozial-ökologische Wende auszurichten und müssen gerade auch die Ärmsten erreichen.
Dazu schlagen wir folgendes vor:
• Wichtige Leitplanken für den Einsatz der öffentlichen Mittel zur Bekämpfung
der Folgen der Coronakrise sind für uns die Förderung von Kreislaufwirtschaft
und Erzeugung nachhaltiger Produkte. Es ist für faire Arbeitsbedingungen und
eine Versorgungssicherheit für die Stadt zu sorgen. Steuermittel müssen unter
Beachtung der sozialen Auswirkungen und geschlechtergerecht eingesetzt
werden.
• Hamburg ist gut beraten, die Daseinsvorsorge und Gemeinwohlorientierung
wieder auszuweiten. Gesundheitsschutz und Pflege sind stärker als öffentliche
Aufgabe anzusehen. Konjunkturprogramme müssen genutzt werden, um
gesellschaftliche Teilhabe auch für bedürftige Menschen zu ermöglichen.
Bezahlbarer Wohnung muss ist ebenso wichtig wie eine energetische Sanierung
für mehr Klimaschutz im Gebäudebestand.
• Bestimmte Bevölkerungsgruppen leiden stärker unter der Corona-Pandemie als
andere, z. B. Empfängerinnen von Transferleistungen, Arbeitslose, Arme,
Alleinerziehende, Geringverdienende, Kranke oder Pflegebedürftige, Menschen
mit Behinderungen, Ältere, Rentnerinnen und Geflüchtete – insbesondere
Frauen. Diese Gruppen drohen zu den größten Verlierern dieser Krise zu
werden und sind deswegen bei allen Maßnahmen stärker zu berücksichtigen.
• Die Corona-Krise überlagert in der öffentlichen Wahrnehmung derzeit die
Klimakrise, verringert aber nicht deren Brisanz. Der Einsatz staatlicher Mittel
muss daher gezielt dafür eingesetzt werden, den CO2-Ausstoß konsequent zu
reduzieren, den Kohleausstieg zu beschleunigen und mit der regionalen
Wirtschaft kluge Lösungen für die Klimaanpassung zu finden. Dies schafft
zudem Arbeitsplätze.
• Wir schlagen vor, regionale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Dies betritt
vorrangig das Handwerk und die Erzeugung und Verarbeitung von
Lebensmitteln. Die Öffentliche Beschaffung soll eine Re-Lokalisierung des
Ernährungssystems mit mehr ökologischen und fairgehandelten Produkten
befördern.
• Es muss bezahlbarer, gesunder und barrierefreier Wohnraum für die
zunehmende Bevölkerung bereitgestellt werden. Bei Neubauten und
Bestandsgebäude sind hohe ökologische Standards zu befördern und die
Flächenversiegelung deutlich zu reduzieren. Die Vorbildfunktion der Stadt bei
der Sanierung und dem Neubau öffentlicher Gebäude (wie z. B. Schulen) muss
flächendeckend nach verbindlichen ökologischen Standards erfolgen.
• Für eine zukunftsfähige Entwicklung Hamburgs ist die Verkehrsinfrastruktur
entscheidend. Die Coronakrise hat noch einmal verdeutlich, wie wichtig gut
ausgebaute Fahrradwege sind. Ausbaupläne für den ÖPNV, die viele Milliarden
Euro kosten werden und erst in 15-20 Jahren zu einer Verbesserung führen,
gehören ebenso auf den Prüfstand wie neue Straßenbauprojekte.
• Die unterzeichnenden Organisationen sind sich einig, dass bei der Finanzierung
der Coronakrise gilt: „Später wird teurer“. Dies gilt für die Armutsbekämpfung
genauso wie für den Klimaschutz und den Verlust an Biodiversität. Die sozialökologische Transformation braucht daher einen zielgerichteten
Investitionsschub und zwar jetzt. Hamburg sollte die verbliebenen Mittel aus
der Konjunkturrücklage einsetzen und das Primat der „Schwarzen Null“
zumindest aussetzen.
• Die Bewältigung der Coronakrise wird auch in Hamburg Milliarden kosten. Der
Erste Bürgermeister hat für die nächsten 20 Jahre eine Summe von 20 Mrd.
Euro genannt. Dabei wird es voraussichtlich nicht bleiben. Wir regen zusätzlich
an, einen gesellschaftlich breit getragenen „Transformationsfonds“ aufzulegen,
der gezielt zum Umsteuern der Wirtschaft genutzt wird.
Es stehen gewaltige Aufgaben in Hamburg an. Es kann nur gelingen, wenn Politik nach der akuten Krisenbewältigung sich wieder ihren Bürger*innen öffnet. Wir schlagen vor, dass ein beständiges Dialogforum zwischen Senat und Bürgergesellschaft eingerichtet wird, um über die sozial-ökologischen Wege aus der Krise zu beraten. Dazu stehen die unterzeichnenden Organisationen bereit.